Kassel-West e.V. – Fragenkatalog an die / den zukünftige/n Oberbürgermeister/in von Kassel

Kassel-West e.V. – Fragenkatalog an die / den zukünftige/n Oberbürgermeister/in von Kassel

Antworten von Murat Çakır, OB-Kandidat der Kasseler Linken

  1. Kultur

Ich teile die Kritik an der mangelnden Unterstützung für die Freie Kulturszene. Mein zentrales Anliegen ist die Demokratisierung der Kultur und damit das Einbeziehen der Freien Kulturszene in eine kontinuierliche finanzielle Förderung und ein transparentes Verfahren zur Aufnahme in die Kulturförderung. Aufgabe des Kulturamts sollte es sein, unbürokratisch zur Seite zu stehen, um für weitere Fördermöglichkeiten den Weg zu ebnen und bei der Orientierung zu helfen. Dafür wird ein eigenständiges Kulturdezernat benötigt. Die Prüfung für die Kulturhauptstadtbewerbung kostet Geld. Das könnte direkt für konkrete Orte, wie z.B. das Henschelgelände oder Salzmann, verwendet werden. Bei privaten Investoren kann die Stadt Druck ausüben, z.B. über städtebauliche Verträge, denn Eigentum verpflichtet. Gleichzeitig sollte die Stadt auf städtischem Grund Flächen und Räume zur Verfügung stellen. Mir ist wichtig, dass Kultur für alle zugänglich ist, weshalb ich mich für einen Sozialpass, der vergünstigte Eintrittspreise ermöglicht, einsetze.

  1. Verkehr und Mobilität

Nicht das Auto, sondern der ÖPNV steht für mich an erster Stelle. Die Kürzungsvorgaben an die Liniennetzreform halte ich für grundfalsch. Der ÖPNV dient der Daseinsvorsorge. Ist das Angebot attraktiv und bezahlbar, steigen mehr Menschen auf den ÖPNV um. In Kassel fehlt mindestens ein Sozialticket für 20 Euro, das ist der Betrag, den Transferleistungsempfänger für Verkehr »zur Verfügung haben«. Auch Arbeitsstätten, wie etwa in Waldau, müssen gut erreichbar sein. Wir brauchen einen Ausbau. Der Kostendeckungsgrad des ÖPNV ist in Kassel mit 88% unnötig hoch. Zusätzliche Kosten können z.B. über die jetzigen Einnahmen aus den Parkgebühren finanziert werden. Langfristig bin ich für einen fahrscheinlosen Nahverkehr. Umlagefinanzierte Modelle gibt es bereits, etwa in Frankreich. Landes- und Bundesebene stehen ebenfalls in der Pflicht.

Für Fußgänger sehe ich insbesondere bei der Überquerung von Hauptverkehrsstraßen Nachholbedarf. Beim Radverkehr halte ich mich direkt an unser Programm: »Sanierung und Ausbau des vorhandene Radwegenetzes, um den Anteil des Radverkehrs deutlich zu erhöhen und die Verkehrssicherheit zu verbessern.«

Und der Flughafen Kassel Calden – muss zum Verkehrslandeplatz zurückgestuft werden.

  1. Bürgerbeteiligung

Ich unterstütze den Aufruf. Mit der Stoßrichtung größere Transparenz herzustellen, geht er genau in die richtige Richtung. Information, gemeinsame Diskussionen und die Möglichkeit Entscheidungen zu beeinflussen, sind die Voraussetzungen für Beteiligung. Das Problem von städtisch initiierter Bürgerbeteiligung ist oft, dass sie dem Einbinden von Widerstand dient und grundsätzliche Fragen damit vernebelt werden. Dies wurde bei der Netzreform versucht. Beteiligung kann man nicht abnehmen, aber man kann sie befördern, ermutigen und vor allem ernst nehmen. Ganz konkret bedeutet das: Beschlüsse der Ortsbeiräte brauchen mehr Gewicht. Das Wahlalter auf 16 Jahre senken und vor allem die Wahl allen in Kassel hier Lebenden zu ermöglichen, unabhängig von der Herkunft. Ich bin ebenfalls für Bürgerhaushalte.

Ich möchte eine andere Gesellschaft, eine, in der die Bedürfnisse der Menschen an erster Stelle stehen und in der sich jeder einbringen kann. Damit kann man jetzt beginnen. Für Engagement sind auch ganz praktisch Ressourcen notwendig, wie etwa Räume und Möglichkeiten zur Bildung.

  1. Bezahlbarer Wohnraum – Stadtteil für alle

Als Kandidat der Linken sehe ich mich an der Seite von Mieterinitiativen. Demnächst wird der Antrag der Kasseler Linke zur Sozialquote in der Stadtverordnetenversammlung diskutiert. Ich bin absolut dafür, sie sorgt nicht nur dafür, dass günstiger Wohnraum entsteht und private Investoren ihren Teil beitragen, sondern zudem für die Durchmischung von Quartieren. Sie funktioniert aber nur bei klaren Regelungen. Eine weitere Maßnahme ist etwa die Konzeptvergabe, das bedeutet, dass städtische Grundstücke nicht an den Meistbietenden sondern an denjenigen veräußert werden, der von der Stadt festgelegte Kriterien erfüllt, ökologisch, kulturell, sozial! Das wird in Kassel viel zu wenig genutzt. Im Vorderen Westen gibt es ganz konkret das Grundstück in der Goethestraße, Ecke Germaniastraße. Hier hat die Kasseler Linke beantragt, dass mit einem Bebauungsplan die Schaffung von günstigem Wohnraum (und nicht Parkplätzen) festgelegt wird. Er ist von den anderen Fraktionen abgelehnt worden. Eine Aktualisierung und Umsetzung der Milieuschutzsatzung halte ich ebenfalls für denkbar.

Für bezahlbaren Wohnraum sollte auch die GWG eine viel größere Rolle spielen. Ich beobachte mit Sorge, wie eine Gesellschaft in Besitz der Stadt die Mieten zunehmend erhöht und ihr »Portfolio« aufpoliert. Als OB hat man im Aufsichtsrat darauf Einfluss.

  1. Altersarmut und soziale Teilhabe

Mein Motto im Wahlkampf ist »Für ein soziales Kassel, weil die Stadt kein Konzern ist«. Dieses Thema hat für mich oberste Priorität, weil ich die Stadtpolitik in Kassel bisher nicht für sozial halte – was der amtierende Oberbürgermeister in seiner Neujahrsrede vertrat. Hier gibt es ganz viel Nachholbedarf, daher nur ein paar Stichpunkte: Sozialpass – ja, Kulturpass – ja, bezahlbarer ÖPNV und Wohnraum, kostenlose Kitaplätze… Das sind alles Maßnahmen, durch die Menschen, die auf den viel zu niedrigen Hartz IV-Satz oder Armutsrente angewiesen bzw. im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, mehr Geld in der Tasche haben. Ich bin dafür, dass das Jobcenter statt möglichst vielen Sanktionen das Recht zu Gunsten der Betroffenen auslegt. Die Stadt ist ebenfalls Arbeitsgeber und kann hier langfristig in die Gesundheit und Absicherung der Bewohner*innen investieren. Statt etwa Reinigungskräfte outzusourcen oder in der städtischen Verwaltung die Arbeitsverdichtung nach oben zu schrauben, brauchen wir gute Tarifverträge und möglichst viel Beschäftigung in kommunaler Hand. Und d.h. auch, dass man sich nicht mit warmen Worten auf ehrenamtliches Engagement verlässt, sondern notwendiges Engagement finanziell absichert.

Mein persönliches Versprechen steht: Im Falle meiner Wahl als OB werde ich alles, was über meinem derzeitigen Gehalt zzgl. Parteibeitrag liegt, für Kinder- und Jugendarbeit sowie für politische Bildung spenden.