BUND für Umwelt und Naturschutz, Kreisverband Kassel – Wahlprüfsteine für die Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Kassel

Bund für Umwelt und Naturschutz, Kreisverband Kassel Wahlprüfsteine für die Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Kassel

Antworten von Murat Çakır

  1. Wie stehen Sie zu den Änderungen im Liniennetz der Kasseler Verkehrsgesellschaft? Soll die Liniennetzreform wie bisher vorgesehen dazu genutzt werden, den städt. Haushalt zu entlasten oder verzichten Sie auf die echten Kürzungen in Höhe von ca. 300.000 Euro zugunsten der Verbesserungsvorschläge des BUND und anderer Umweltverbände?

Grundsätzlich halte ich es für eine fatale Entscheidung, den städtischen Haushalt durch die Liniennetzreform entlasten zu wollen. Eine richtige Entlastung wäre es, wenn der Flughafen Kassel-Calden zurückgestuft würde. Die dadurch freigewordenen Mittel könnten dann für eine echte Reform, nämlich für den notwendigen bedarfsgerechten Ausbau des ÖPNV verwendet werden. Leider scheint die politische Mehrheit in Kassel dazu weder fähig noch willens zu sein. Ich begrüße, dass die Fraktion Kasseler Linke unter dem Titel »Liniennetzreform ergänzen – Nahverkehr stärken« eine neue Vorlage erarbeitet hat, die die Verbesserungsvorschläge des BUND und anderer Umweltverbände sowie Nahverkehrsinitiativen beinhaltet. Die politische Mehrheit in Kassel rufe ich auf, die Liniennetzreform auf der Grundlage dieser Vorlage zu verabschieden. Ich halte die Verstärkung des Angebots auf vielen Strecken und die Einführung eines Sozialtickets für die Förderung der Mobilität von Menschen die auf Transferleistungen angewiesen sind bzw. im Niedriglohnsektor beschäftigt werden, für dringend geboten. Eine soziale und ökologische Ausbau der ÖPNV kann nicht als Sparmaßnahme verwirklicht werden.

  1. Kann der Flächenverbrauch in Kassel eingedämmt werden, wie stellen Sie sich die Zukunft des Wohnens in Kassel vor?
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von einem Flächenkreislaufwirtschaftsprogramm?

Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden. Anstatt den Bau von Einfamilienhäusern für einkommensstarke Familien anzustreben, muss die Stadt alle ihrer städtebaulichen Steuerungsinstrumente für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum einsetzen und ein kommunales Wohnungsbauprogramm erarbeiten. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die »10 Empfehlungen für die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik in Kassel« der Universität Kassel hinweisen, welche sehr vernünftige und machbare Vorschläge beinhalten. Um den Flächenverbrauch in Kassel eindämmen zu können, ist es dringend erforderlich, Innenentwicklungspotentiale der Stadt zu mobilisieren. So könnten auch durch Fördermittel des Bundes und des Landes, durch Konzeptvergabe, Förderung von Ergänzungen des Bestands und durch die Unterstützung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Anreize für private Eigentümer*innen geschaffen werden. Ferner ist es notwendig, die städtische Liegenschaftspolitik gemeinwohlorientiert zu einem Instrument der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu entwickeln, die zugleich Barrierefreiheit umsetzt und mehrgeschossige Bauweise priorisiert. Nur durch eine konsequent ökologie- und gemeinwohlorientierte ganzheitliche Stadtentwicklungs-, Wohnungs- und Liegenschaftspolitik kann der Flächenverbrauch erfolgreich eingedämmt werden.

Ein Programm der Kreislaufwirtschaft in der städtischen Flächennutzung, welcher vorrangig und systematisch auf die Ausschöpfung aller bestehenden Flächenpotentiale zielt, wäre ein notwendiger Politik- und Steuerungsansatz für eine nachhaltige Stadtentwicklung, für dessen Umsetzung ich mich im Falle meiner Wahl zur Oberbürgermeister der Stadt Kassel einsetzen werde.

  1. Sind Sie bereit, sich bei sämtlichen Gewässern für die Einhaltung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie einzusetzen, wonach bereits seit Sommer 2015 ein „guter Gewässerzustand“ erreicht werden muss.

Auf jeden Fall. Die im Dezember 2000 in Kraft getretene Wasserrahmenrichtlinie hat sich zwar grundsätzlich als zentrales Instrument der europäischen Wasserpolitik bewährt, aber wie aus den Fachkreisen zu hören ist, bleibt die Zielerreichung »guter Zustand« hinter den Erwartungen leider zurück. Insofern halte ich den Vorschlag, den Bewirtschaftungsmechanismus über 2027 hinaus weiterzuführen für sehr unterstützenswert. Die Kommunalpolitik hat m. E. die Verpflichtung, grundsätzlich am Kern der Wasserrahmenrichtlinie festzuhalten. Auch als Laie im Bereich der Wasserpolitik halte ich die konsequente Umsetzung des »Bewirtschaftungsplans Hessen 2015-2021« und in diesem Zusammenhang die Einbeziehung der Umweltverbände in die kommunalpolitischen Entscheidungsprozesse für notwendig. »Guter Gewässerzustand«, gutes Wasser, Biodiversität und saubere Umwelt sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Leben in der Kommune.

  1. Welchen Stellenwert haben für Sie die Frei- und Grünflächen im Stadtgebiet?

Stichworte: Frischluftversorgung, Erholung, biologischen Vielfalt, attraktives Wohnumfeld

Ohne Frage; Frei- und Grünflächen in unserer Stadt fördern die Lebens-, Freizeit- und Umweltqualität, sorgen für ökologisch-klimatischen Ausgleich und machen unsere Stadt lebens- und liebenswerter. Insofern haben sie für mich einen hohen Stellenwert und sie zu erhalten, zu schützen und sie im Rahmen einer nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung auszubauen, halte ich für eine prioritäre kommunalpolitische Aufgabe. Hierbei dürfen wir uns von sog. »fiskalpolitischen Sachzwängen« oder Kapitalverwertungsinteressen privater Investoren nicht zurückdrängen lassen. Kassel, als eine wachsende Stadt benötigt mittel- und langfristig angelegte Strategien für Frei- und Grünflächenentwicklung sowie für deren Pflege. Um unsere Stadt, insbesondere aber die benachteiligten Stadtteile, die zudem hochverdichtet sind, lebenswert gestalten zu können, müssen wir ein strategisches Frei- und Grünflächenentwicklungskonzept erarbeiten und in Kooperation mit unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft sowie mit anderen Eigentümer*innen im Rahmen einer »Sozialen-Stadt-Idee« umsetzen. Eine an den Zielen der »Leipzig-Charta« orientierte soziale, ökologische und demokratische Stadtentwicklungspolitik ist die Grundlage für den Schutz und Erhalt der Frei- und Grünflächen im Stadtgebiet.

  1. Welchen Stellenwert hat für Sie die Luftreinhalteplanung und Klimaschutz?

Wollen Sie sich dafür einsetzen die Umweltzone einzuführen und den hessischen Klimaschutzplan in der Stadt umzusetzen?

Die Probleme sind seit langem bekannt: hochverdichtete Stadtteile, Versiegelung breiter Flächen, ein stetig wachsendes Verkehrsaufkommen und Nutzungsdruck auf Grünflächen führen zu immer mehr unzureichender Luftqualität. Dieser Entwicklung muss dringend Einhalt geboten werden. Neben dem Erhalt und Ausbau der städtischen Grünflächen muss durch die Einführung einer Umweltzone für die Reduzierung von Feinstaub- und CO2-Belastung gesorgt werden. Auch in Kassel ist der Handlungsbedarf zur Umsetzung der EU-Luftqualitätsvorgaben nach wie vor groß. Um die Emissionsreduzierung an der Quelle bewerkstelligen zu können, kommen wir nicht umhin, endlich für Verkehrsvermeidung  und für den Ausbau des ÖPNV-Netzes zu sorgen. Sowohl in Deutschland als auch in Europa gibt es genügend Beispiele, wie mit der Kombination unterschiedlicher Maßnahmen, so z.B. Einführung einer Umweltzone, Grünraumplanungen, systematische Haus-, Dach- und Hinterhofbegrünungen, Rückgewinnung und Vernetzung von kleinteiligen, wohnortnahen Grünflächen, Nutzung von Konversionsflächen, verstärkte Bepflanzung von Allee- bzw. Straßenbäumen, die Verbesserung der Luftqualität im städtischen Raum erreicht werden kann. Die bisher erstellten Luftreinhaltepläne müssen fortgeschrieben werden. In diesem Zusammenhang sehe ich die konsequente Umsetzung des »Integrierten Klimaschutzplans Hessen 2025« als eine verpflichtende Aufgabe für den Magistrat der Stadt Kassel.